Wahl des Ortes des Verbrechens
Der Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) wurde aus mehreren Gründen zum Mordort ausgewählt. Es war ein riesiges und unbewohntes Gebiet mit einer Fläche von über 7.000 ha. Im Jahre 1939 gab es am Tatort eine sandige Kahlschlagfläche, die dem deutschen Grundbesitzer Joachim von Paleske gehörte. Dieses Gebiet war von den nahegelegenen Städten Preußisch Stargard (heute Starogard Gdański), Mewe (Gniew), Pelplin (Pelplin) und Dirschau (Tczew) leicht erreichbar. Die Hinrichtungsstätte war von dicht wachsenden Bäumen umgeben. Die Deutschen bewachten den Zutritt damit die Morde nie ans Licht kommen.
Pommersches Verbrechen
Die Ausrottung der Polen in dem Gebiet der Vorkriegs-Woiwodschaft Pommern im Jahr 1939 war der erste geplante Völkermord im Zweiten Weltkrieg. Die Aktion wurde von Albert Forster, Statthalter im Reichsgau Danzig-Westpreußen, geleitet. Die Morde fanden an etwa 400 Orten statt, darunter im Wald von Spengawsken (Szpęgawsk), den Wäldern von Piasnitz (Piaśnica) und den Wäldern unweit der Orte Mischke (Mniszek) und Gruppe (Grupa). Die Deutschen konzentrierten sich auf die Eliminierung von lokalen polnischen Eliten, Juden und Kranken. Die Proskriptionslisten (schwarzen Listen) wurden wahrscheinlich bereits vor dem Krieg oder kurz nach dessen Beginn vorbereitet. Den Schätzungen zufolge, haben die Deutschen in Danziger Pommern (Pommerelen) etwa 40.000 Menschen ermordet.
Organisatoren der Morde
Verantwortlich für dieses Verbrechen waren das Dritte Reich und die ihm unterstehenden Wehrmacht, Gestapo, SS, SA, EK 16, Landesgendarmerie. Diese Einheiten wurden von SS-Beamten angeführt, die u.a. dem Stab des Einsatzkommandos 16 (einer speziellen Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei) und dem Selbstschutz (vom deutschen Staat in den eroberten Gebieten gebildeten paramilitärischen Organisationen, welche die Vertreter der deutschen Minderheit vereinigten) angehörten. An der Spitze der Kräfte des „deutschen Selbstschutzes“ in Preußisch Stargard (Starogard Gdański) stand Paul Drews. Die Kreisstrukturen wurden von Johann von Plehn geleitet. Zu den aktiven Mitgliedern gehörten Gerhard Wichert und Egon Sievert. In vielen Aussagen aus der Nachkriegszeit wurden sie als Entartete beschrieben.
Der Beginn des Terrors von Spengawsken (Szpęgawsk)
In der Nacht vom 12. auf den 13. September 1939 fuhren Lastwagen mit bewaffneten SS-Männern und Selbstschutzmitgliedern in die Danzigerstraße in Preußisch Stargard (Starogard Gdański) ein. Aus den Baracken wurden 12 junge Männer herausgeführt. Unter den Verhafteten war auch der 19-jährige Pfadfinder Józef Grzybek. Die Razzia war eine Vergeltung für angebliche antideutsche Aktivitäten. Sie wurden in den Wald bei Kokoschken (Kokoszkowy) gebracht, erschossen und ihre Leichen liegengelassen. Diese Nachricht erreichte schnell die Stadt, wo nun eine Atmosphäre von Angst und Unsicherheit herrschte.
Der Verlauf der Morde
Vor ihrer Hinrichtung wurden die Inhaftierten in Gefängnissen geschlagen und gefoltert. Dann wurden sie mit Lastwagen in den Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) transportiert. An der Grube stehend oder im Grab liegend wurden sie mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Die Opfer wurden oft auch mit Maschinengewehren erschossen und dann mit Gewehrkolben totgeschlagen.
Das Verbrechen im psychiatrischen Krankenhaus in Konradstein (Kocborowo)
Am 4. September 1939 traf die Einheit SS-Wachsturmbann „Eimann“ unter dem Kommando von SS-Obersturmführer Karl Braunschweig im Krankenhaus ein. Dieser war für die Aktion T-4 verantwortlich, deren Ziel „die Vernichtung lebensunwerten Lebens“ war (d.h. Menschen mit Behinderungen und Kranke in Krankenhäusern). Am 10. September 1939 wurde der erste Patient, Augustyn Krzyża, ermordet. Es wurde verboten die Leiche, die mehrere Tage auf dem Boden lag, wegzuräumen. Nach Ansicht der Deutschen waren die Kranken „ein wertloser Ballast für die Gesellschaft”. Vom 22. September 1939 bis zum 21. Januar 1940 wurden die Patienten täglich nach Spengawsken (Szpęgawsk) transportiert. Insgesamt wurden 1.689 Kranke, darunter 75 Bürger anderer Länder, erschossen. Ab Februar 1940 wurden die Patienten im Rahmen der Aktion T-4 in Vernichtungslager transportiert oder mit Luminal-Injektionen getötet.
Die im Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) ermordeten Juden
Im September und Oktober 1939 begannen die Deutschen die Juden aus der Region Kociewie zu morden. In der Vorkriegs-Woiwodschaft Pommern machten sie knapp 2% der Bevölkerung aus. In Starogard lebten vor dem Krieg etwa 143 Juden, von denen viele zu Beginn der Septemberkämpfe Kociewie verließen. Unter dem Vorwand, Fragen der Flugabwehr zu besprechen, riefen die Besatzungsbehörden die verbliebenen Juden wahrscheinlich am 19. Oktober 1939 auf, sich im Magistrat zu melden. Dort angekommen wurden sie in die nahegelegene Synagoge geführt, wo man sie bestialisch zusammengeschlagen hat. Vermutlich wurden sie anschließend in den Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) gebracht und dort ermordet. Es gibt auch eine andere Version des Verbrechens, die besagt, dass die Juden in der Synagoge erschossen und ihre Leichen dann nach Spengawsken (Szpęgawsk) gebracht wurden.
Verluste unter dem Klerus
Ein schreckliches Schicksal traf die polnischen Geistlichen aus den Kreisen Preußisch Stargard (Starogard Gdański) und Dirschau (Tczew). Die damalige Diözese Kulm (Chełmno) verlor etwa die Hälfte ihrer Priester. Sie wurden in Gefängnisse gebracht und dort gefoltert. Der Klerus hatte einen besonderen Einfluss auf die Gestaltung der nationalen Identität der Polen, daher wurden sie mit besonderer Grausamkeit behandelt. Einer der Verhafteten war Pfr. Reginald Krzyżanowski aus Summin (Sumin). Mitglieder des Selbstschutzes schlugen ihm die Zähne aus, schütteten ihm mit Gewalt Wodka in den Mund, und befahlen ihm, sich nackt auszuziehen und auf den Knien zu gehen. Dem Priester Józef Kuchenbecker aus Bobau (Bobowo) haben die Folterer mit einem Messer ein Hakenkreuz auf die Stirn geritzt.
Die in Spengawsken (Szpęgawsk) ermordeten Lehrer
Im Oktober 1939 begannen Verhaftungen von Lehrern. Sie wurden im ehemaligen Unternehmen, sog. Wytwórnia (deutsch Herstellungsbetrieb) in Skurz (Skórcz) und im Gefängnis in Preußisch Stargard (Starogard Gdański) eingesperrt. Nach Alfons Kulings Aussagen wurden Lehrer in überfüllten, unbeheizten Zellen, unter furchtbaren sanitären Bedingungen gefangen gehalten. Die Lehrer wurden geschlagen, gedemütigt und mit Essensentzug bestraft. Die größte Hinrichtung fand am 20. Oktober 1939 statt. 43 Lehrer wurden an jenem Tag erschossen. Während des Krieges wurden in der Region Kociewie mehr als 200 Pädagogen getötet, davon etwa 100 im Wald von Spengawsken (Szpęgawsk).
Bedingungen in Gefängnissen und Haftlagern
Vor den Hinrichtungen wurden die Opfer auf der Burg Mewe (Gniew), in der Kaserne in Dirschau (Tczew), im ehemaligen Unternehmen, sog. Wytwórnia (deutsch Herstellungsbetrieb) in Skurz (Skórcz), im Gefängnis und in der Bastei in Preußisch Stargard (Starogard Gdański) oder im Seminar in Pelplin (Pelplin) gefangen gehalten. Die Gefangenen wurden gefoltert und zu körperlicher Arbeit gezwungen. Sie wurden psychisch und physisch misshandelt. Der ehemalige Gefangene Walerian Blank sagte nach dem Krieg aus: „Ich wurde am 1. November 1939 verhaftet […] bis zum 11. November 1939. In dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit zu sehen, wie die Gestapo geschlagen und getötet hat. Sie mordeten nach einem System, durch Erschießen und Erhängen an eigenen Schals, und Frauen wurden vorher vergewaltigt. […]. Nachts wurden [die Gefangenen] weggebracht, um begraben zu werden.
Bilanz der Verbrechen
Im Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) wurden Menschen aus folgenden Kreisen hingerichtet: Preußisch Stargard (Starogard Gdański), Mewe (Gniew), Dirschau (Tczew), Schwetz (Świecie) sowie aus Teilen von Berent (Kościerzyna) und Bütow (Bytów). Es wurden auch hunderte von Menschen aus anderen Teilen des Landes umgebracht. Bis heute war es nicht möglich die endgültige Anzahl der Opfer und ihre persönlichen Daten zu ermitteln. Gegen Ende 1944 verbrannten die Deutschen die meisten Leichen, um die Spuren des Verbrechens zu verwischen. Es ist durchaus möglich, dass im Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) bis zu 7.000 Menschen umgekommen sind, wobei man die Identität von etwa 2.400 Personen festlegen konnte. Auf dem Friedhof befinden sich 32 Massengräber in einem Komplex angeordnet, sowie 7 weitere Gräber, die etwa 500-1000m entfernt sind.
Spengawsken (Szpęgawsk) heute
Am 24. April 1954 wurde ein Denkmal zu Ehren der Ermordeten enthüllt. Jedes Jahr, am dritten Sonntag im September, finden dort Jubiläumsfeiern statt. An den Feiern nehmen die Familien der Ermordeten, Delegationen von Kommunalverwaltungen, Institutionen und Schulen sowie die Bevölkerung aus Danziger Pommern teil. Am 80. Jahrestag der begangenen Verbrechen wurde ein Denkmal zum Gedenken an die Ermordeten enthüllt. Die Komposition des Denkmals stellt einen Wald dar, in dem abgeholzte Stämme das unterbrochene Leben symbolisieren. Etwa 2.400 Namen der Opfer des Verbrechens wurden auf die Stämme geschrieben. Ein Stamm ist den unbekannten Opfern gewidmet. Die Erinnerung an den Wald von Spengawsken (Szpęgawsk) soll für immer lebendig bleiben.